Entwicklung, Rituale, Alltag & Routine

19. Lektion

Entwickelt Rituale

Ich lege jedem Menschen nahe:
Lernt Lesen zu lieben und lest (gemeinsam) Bücher über Sex.

Als alternative Frage zum Buchtitel wäre die Frage interessanter, wie viele Lese-Sessions ein Paar bereits gemacht hat. Waren es mindestens 30?

Natürlich können eure Rituale auch andere sein. Doch wie in Lektion 63 – „Braucht es andere Partner?“ – begründet, sollten sie Input von außen beinhalten. Workshops können hervorragende Inspiration sein. Je nach Thema, Umfang und Qualität gehen sie aber oft nicht wirklich tief, sind damit eher ein guter Start und verdienen dann weitere Vertiefung.  Dies ist meiner Erfahrung nach mit guten Büchern am effektivsten erreichbar. Der Input ist meist qualitativ am hochwertigsten oder am vollständigsten. Außerdem gibt es Inhalte, die auf anderen Wegen nicht oder nur schwer verständlich sind.


Entwicklung, Rituale, Alltag & Routine

Es ist leicht, in einen Trott zu verfallen, mit dem man auch recht zufrieden ist. Fast schon unabhängig von ihrer sexuellen Entwicklung können Menschen damit zufrieden sein, was sie haben. Selbst in Situationen, die sie im Nachhinein als furchtbar bezeichnen. Das passiert, wenn man Erwartungen von außen erfüllt und glaubt, dass mehr nicht gehe.

Viele Menschen merken diesen Trott erst dann, wenn sie das Gefühl haben, die letzten Jahre sind schnell vorbeigezogen und so richtig viel ist eigentlich nicht passiert. Dann war die Erlebnisdichte nicht sonderlich hoch. Bei diesem „Zufriedenen“ ist der Sex dann selten eine Quelle von Nahrung, Lebens-energie und „göttlichen“ Verbindungen. Aber irgendwie ist er befriedigend. Oder zumindest nicht störend und man (Frau) macht den Partner glücklich – oder denkt dies zumindest. Typisch dabei ist zu denken, dass so, wie es ist „doch ganz gut ist“ oder „halt so, wie es sein soll“ – selbst wenn es eigentlich nicht tiefgreifend befriedigend ist. „Ist da noch viel mehr? Vermutlich „nur“ so kink Zeug.“ Oder man weiß nicht, wie man sich weiterentwickeln kann, hat Angst seinen Partner zu kränken, zu verlieren oder hat einen so schweren Zugang zur eigenen Sexualität, zu eigenen Wünschen und Verlangen, dass man es einfach nicht schafft etwas zu ändern, weil die Blockaden stärker sind als die Inspiration oder der Entdeckergeist.

Egal ob man sich des Potentials von Sexualität bewusst ist oder nicht, ist es meines Erachtens sehr gesund, Rituale zu kreieren, die einem gut tun. Rituale, die einem helfen, sich persönlich weiterzuentwickeln und zu heilen. Leben heißt wachsen. Alt wird man, wenn man aufhört zu lernen. So manch eine Wunde aus der Vergangenheit findet und heilt man erst sehr spät und wundert sich dann, wie viel Energie dies freisetzt, wie dies die eigene emotionale Welt und sein Leben leichter macht. 

Besonders wertvoll sind auch Rituale, die die Verbindung zu sich und seinen Geliebten stärken, sowie die die eigenen Träume mehr und mehr Realität werden lassen. Weihnachten und andere Feiertage sind typische Rituale zur Stärkung von Verbindung. Der Frühjahrsputz ist ein Ritual, um fundamentale Ordnung zu schaffen. Was sind deine Rituale für deine emotionale Gesundheit? Für dein persönliches Glück und deine Erfüllung? Für dein Liebesleben? Für dein Sexualleben? Für deine Reflektion? Was für Gewohn-heiten kreierst du selbst, damit es dir leichtfällt glücklich zu sein?

Im Sexuellen schlage ich vor, eine Art Routine zu etablieren, bei der man Erkunden, Lernen oder Experimentieren in sein Liebesspiel einbaut. Wer erstmal erlebt hat, was für Potential sexuelle Weiterentwicklung hat, sei es sensorisch, kommunikativ, empathisch, technisch, energetisch, spielerisch, emotional oder anderweitig, wird hoffentlich verstehen, dass die gleiche Methode, das gleiche Streben noch viel weiterführt und dieser Pfad lohnend ist. Was es alles zu entdecken gibt, ist voller Wunder, faszinierend, überwältigend, erstaunend und unmöglich in ein Buch zu packen – unabhängig davon, dass mensch es eh nur erleben kann. Zur Entdeckung dieser Welt voller Wunder empfiehlt sich Stetigkeit. Mit Stetigkeit kommt man sicherer und schneller voran sowie auch weiter, als mit dem Versuch schnell voranzukommen. Dann genießt man den Prozess auch mehr. Der Versuch von viel „Geschwindigkeit“, sorgt eher für Überlastung oder das Überschreiten der eigenen Grenzen, mit entsprechenden Konsequenzen.

Ähnlich den zwei Phasen beim Kapitel „Gemeinsam erkunden“ von Oralsex, würde ich ab und an – vielleicht einmal pro Woche / Monat– den Sex in Phasen aufbauen. Ist die gemeinsame Lust gerade sehr stark, kann man einfach anfangen, wie man es mag, beim ersten Energierückgang oder kurz vor einem Höhepunkt eine Pause machen und dann hier einsteigen. Ansonsten, wenn nicht beide gerade völlig von ihrer Lust übermannt sind, würde ich direkt so anfangen:

  • Gemeinsam etwas über Sex(ualität) lesen. (Oder auch mal etwas ansehen. Aber kein Porno, sondern zur Bildung aufgearbeitete Inhalte.)
  • In einem experimentierfreudigeren Rahmen als sonst (aus)probieren.
  • Eine Pause machen. Er sollte vorher nicht kommen!

Bis Mitte zwanzig sollte dies jedoch kein Problem sein, wenn er danach nicht völlig kaputt ist. Die Pause kann dann auch gleichzeitig seiner Revitalisierung dienen. Hat er nach der Pause keine Lust weiterzumachen, gilt beim nächsten Mal für Ihn Orgasmusverbot! Im Zweifelsfall lest erstmal das Kapitel „Zu früh“ kommen“ – Lektion 24.

  • In der Pause würde ich dann jeweils einen Frame teilen: Ohne Zusammen-fassung des Erlebten sich einen Moment auswählen, den man beim gemeinsamen Sex in naher Vergangenheit – oder gerade eben – erlebt hat und diesen beschreiben. Als würde man einen Film pausieren, zurückspulen und das Bild (den Frame) beschreiben. Darüber kann man dann reden. Wenn das Gespräch selbst nicht schon viel Zeit einnimmt, würde ich dann noch gemeinsam etwas weiterlesen oder darüber sprechen, was man gleich machen möchte.               
    Viele Kapitel dieses Buches finde ich dafür geeignet. Danach empfehle ich „Sex als Gebet“ von David Deida und „Urban Tantra“ von Barbara Carrellas.
  • Nach der Pause bietet es sich an, mit „Gift Giving“ (Lektion 41) weiterzumachen. Entweder wechselt man sich je Session mit dem Geben/Erlauben eines Geschenkes ab, oder macht direkt eine Hin- und eine Rückrunde (mit Timer).
  • Danach gibt man sich dem gemeinsamen Flow hin.

Je nach verfügbarer Zeit kann ich so auch den ganzen Tag Sex haben. Immer mal wieder Pausen machen (ohne zu kommen), gemeinsam lesen, etwas essen, sich gegenseitig verwöhnen, …          
Zum gemeinsamen Lesen empfehle ich gemeinsam ins Buch zu schauen und abwechselnd absatzweise laut vorzulesen. Zu jeder Zeit sollte sich jede:r wünschen können, dass ein Satz oder Absatz noch einmal gelesen wird. Genauso könnt ihr nach jedem Absatz um eine Pause bitten, zum Reflektieren oder Besprechen. Da ihr euch eh abwechselt, wird es der Person die als nächstes weiter liest besonders leichtfallen, etwas aus dem letzten Absatz anzusprechen oder zu wiederholen. Ein paar schöne Ideen für Übungen und Vorspielrituale kommen in den Lektionen 37 und 39.


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